Die Drei Ossis

Gestern Abend ein zweites Zusammentreffen mit den Ossis. Sie wohnen die ganze Woche schon hier nebenan im Hotel und anstatt in ihren Zimmern oder unterwegs, verbringen sie die Abende lieber Bier trinkend am Auto, das deutlich sichtbar und irgendwie markant in immer derselben eigentlich nicht zum Parken gedachten Einfahrt geparkt wird. Ich begegne den Kerlen jedesmal, wenn ich zum Einkaufen gehe: Ich: „Hallo, wart Ihr nicht auch schon gestern an genau der gleichen Stelle?“ Die Kerle: „ja, wir sind von der Kriminalpolizei und beobachten Euer Haus.“ Ich:“Klar, deswegen sauft Ihr auch so viel Bier. Das gehört da ja mit zum Job.“ Die Kerle:“ komm, trink eins mit uns!“ Und sie drücken mir ein leckeres, eisgekühltes Pitburger in die Hand. Wer kann da widerstehen? Wir unterhalten uns, sie erzählen mir, warum sie lieber auf der Straße stehen, anstatt auf ihren Hotel Balkonen zu sitzen und sie erzählen mir, warum sie eigentlich hier sind und was ihr wirklicher Job ist. Alles hochinteressant, doch plötzlich bekommt das Gespräch eine andere Wendung. Sie erzählen mir von einem Schwein, daß der Bruder des einen im Kofferraum transportiert hatte und das man dann schlachten mußte, um es essen zu können. Und von Transportern voll gepfercht mit Schweinen, die teilweise sich beim Transport verletzt haben. Der eine: „wenn ich der Fahrer gewesen wäre, wär ich in einen Wald gefahren und hätte die Viecher frei gelassen“ Ein anderer: „und was hättest Du dann Deinem Chef erzählt? Was glaubst Du, was der mit Dir machen würde!“ Es wird immer politischer. Plötzlich outen sie sich als Rechtsradikale und „Faschistenfreunde“. Ich bin enttäuscht und erschrocken und verabschiede mich schnell. Um mich zu beruhigen, versichert der eine:“ also, ich bin nicht nur rechtsradikal gegenüber Ausländern, sondern auch gegenüber Deutschen. So ein Harz IV Empfänger ist für mich genauso ein Schmarotzer und Assi wie ein Ausländer.“ Oje, was soll man da noch sagen….

Meine Schwäche

Meine Duopartnerin, beziehungsweise eigentlich: Ex-Duopartnerin hat sich immer mal wieder über meine Gebrechlichkeit echauffiert. „Du bist mehr als 13 Jahre jünger als ich, aber du bist viel gebrechlicher!“ Leider mache ich das nicht mit Absicht. Sogar meine fast 90 jährige alte Mutter ist in vieler Hinsicht fitter als ich. Und zur Zeit ist es besonders schlimm mit mir. Ich habe ständig das Bedürfniss mich hinzulegen und zu entspannen, aber die Frage ist: von was? Warum bin ich sooo erholungsbedürftig und andere, die objektiv gesehen härter arbeiten und mehr leisten, machen immer noch mehr und noch mehr und lachen dabei glücklich? Und kaum, daß es mal ein paar freie Tage oder gar Ferien gibt, bekomme ich entweder eine Erkältung oder die Grippe. Auch jetzt hats mich mal wieder erwischt. Da geht dann wirklich gar nichts mehr. Der Haushalt liegt darnieder, üben kann ich auch nicht und nicht einmal Sport treiben ist möglich. Ich vegetiere dahin wie eine uralte Oma. Meine uralte Mutter dagegen umsorgt mich, bringt mir Medizin, Essen und manchmal sogar Lesestoff, den zu lesen ich mich dann meistens auch wieder zu schwach fühle. Wie bescheuert. Ich habe mal die Tätigkeiten aufgelistet, die ich am anstrengendsten finde: 1. Steuererklärung und sonstige Büroarbeit 2. Telefonieren – egal mit wem. 3. Putzen. Und das wärs auch schon. Alles andere strengt mich weniger an, nur komme ich leider auch fast nicht mehr dazu etwas anderes zu machen als die drei oben genannten Tätigkeiten, da sich diese wie ein unüberbrückbarer Berg vor mein „eigentliches“ Leben geschoben haben. Sollte ich diese drei Horrortätigkeiten nicht mehr machen müssen, wäre ich wahrscheinlich ab sofort viel gesünder. Doch leider reicht mein Einkommen nicht dazu, mir einen Steuerberater, eine Sekretärin und eine Putzfrau zu leisten. Und die Krankenkasse zahlt sowas natürlich auch nicht. Habe allerdings auch noch nicht den Mut gehabt mal nachzufragen…ich gehe ja nicht einmal zum Arzt. Während ich dieses hier schreibe, höre ich schon einige Leser angewidert den Kopf schütteln über so viel Wehleidigkeit und „eingebildete Schwachheit“. „Da hat eine mal noch nie richtig arbeiten müssen“ oder: „jammern auf zu hohem Niveau“ oder: „null Ahnung von den „wahren“ Sorgen..“ oder so ähnlich könnten die Reaktionen ausfallen. Tut mir leid, Ihr Lieben! Wenns Euch nervt, müßt Ihr meinen Blog ja nicht lesen. Ich bin auf jeden Fall depressiv genug. Zur Zeit. Aber das ändert sich wieder, wenn ich Steuererklärung und Wohnungsputz bewältigt habe.

Meine Steuererklärung

Also Leute, ich habe hier lange nichts mehr geschrieben und mich auf das Bewältigen meines etwas chaotischen Lebens konzentriert. Es gab Namensänderungen, Partnerwechsel und noch andere Wechsel und Änderungen, die mir nach wie vor zu schaffen machen. Gerade zum Beispiel sitze ich an meiner Steuererklärung. EINKOMMENSSTEUERERKLÄRUNG!!! Denn Künstler gelten hier als Kleinunternehmer. Ich bin leider immer noch bei 2016 und wegen meiner unzähligen Anrufe und Verzögerungen inzwischen im Finanzamt wahrscheinlich allgemein bekannt. Das alles ist keine böse Absicht, sondern eher Schicksal.

Mein Po und mein Bauch werden immer fetter, weil ich kaum noch Zeit für Sport habe. Dieser Bürokram schadet definitiv auch der Gesundheit!

Glücklicherweise kann ich nun erstmal wieder eine Unterbrechung einlegen, da das Finanzamt mir erst noch einige Belege zurückschicken muß. Und glücklicherweise vergessen die netten Mitarbeiter dort auch mal was!

4.Kapitel

regen17
Es ist nicht leicht mit über 50 Jahren nochmal ganz von vorne anzufangen. Wenn man jung ist, werden einem viele Chancen gegeben, die einem älteren Menschen nicht mehr gegeben werden.
Doch ich kann mich nicht beklagen. Trotz Allem läuft es bei mir schon ganz gut. Und das, obwohl klassische Gitarre offensichtlich in Deutschland lange nicht so beliebt ist wie in China. Die Deutschen mögen es offensichtlich lieber rockig und bluesig und vor allem: harmonisch einfach. Nicht, daß die Normalbürger in China komplexere Hörgewohnheiten hätten, nein gar nicht: auch sie haben mich frustriert mit ihrer Liebe zu einfachsten Karaokeliedern. Doch romantische Klänge von klassischer Gitarrenmusik sind dort überall sehr beliebt und auch in den Foyers von 5 Sterne Hotels gern gehört. Und dann noch ein wichtiger Faktor: Dort gibt es viel mehr Hotels, die live Musik in ihren Foyers anbieten und bezahlen, als hier. Dabei ist es sicherlich kostengünstiger für die Veranstalter einen klassischen Gitarristen zu buchen, als eine Band.

Heute ist Ostern. Christliche Feiertage sind in Deutschland die einfachste und häufigste Möglichkeit mit klassischer Musik etwas Geld zu verdienen, wenn auch meist nur sehr, sehr schlecht bezahlt. Ich habe mich absichtlich nicht für diese Auftritte beworben, weil ich nicht getauft bin und nicht zur Kirche gehöre. So darf ich die Feiertage in Ruhe zu Hause bleiben.

An solchen Tagen wie heute komme ich mir vor wie eine verwitwete Rentnerin. Über mir und unter mir (in unserem Haus wird auch das UG bewohnt) toben die Familienzusammenkünfte und im Park sieht man fast nur noch Familien mit Kindern oder zumindest Pärchen und Grüppchen. Die Menschen, die alleine sind, wollen alleine bleiben und fürchten von anderen gesehen zu werden. Sie schleichen verschämt und schnell an den vielen fröhlichen Gruppen vorbei als ob es ein Makel wäre alleine zu sein. Wie gut, wenn es da regnet! Das entspannt die Situation.

Doch heute war es anders. Der Park war still. Keine fröhlich tobenden Kinder. Nur so ein paar Einsame wie ich, mit oder ohne Hund. Ich, ohne Hund, aber mit Schirm.